3. Sonntag nach Trinitatis
Schlosskirche Friedrichshafen
Predigt nach 1. Könige 5, 1-19[1]
Liebe Gemeinde,
Heute werden sie mich nicht von der Kanzel hören. Eine urtextnahe Nacherzählung des heutigen Predigtextes hören Sie vom Lesepult. Die Gedanken dazu spreche ich von hier aus [hier kursiv gesetzt, vom Stativmikrofon vor dem Altar].
Versetzen Sie sich mit mir knapp 3000 Jahre zurück in das Gebiet am östlichen Mittelmeer. Im Gebiet des heutigen Syrien lebten die Aramäer. Südlich davon befand sich das Nordreich Israels.
Die Aramäer führten immer wieder Krieg mit ihren südlichen Nachbarn, dem Nordreich Israel. Sie hatten einen erfolgreichen Heerführer namens Naaman. Das Vertrauen des Aramäer-Königs war dem Feldherrn sicher. Hatte er doch für sein Volk schon einige Siege erstritten. Er war ein gefeierter Mann, besonders, wenn er wieder einmal siegreich von einem Kriegszug zurückkehrte.
Aber Naaman litt. Er war von einer lästigen Hautkrankheit befallen. Niemand konnte Naaman helfen. Der Schorf auf seiner Haut setzte Naaman zu. Manchmal ekelte er sich vor sich selbst.
Das soll es geben, dass auch die Großen, die Angesehenen, vor dem Spiegel an sich hinuntersehen und sich fragen, warum die anderen zu ihnen hinaufsehen. Bin ich tatsächlich der, auf den sich andere verlassen können und auf den sie hören sollten? – Denken Sie an die eine oder andere Berühmtheit, einen Staatenlenker, Meinungsführer oder ein gefeiertes Sport-Ass. Sie schauen nicht hinein in die Paläste und Villen – Auch der Kaiser Beckenbauer ist jetzt gestorben. Menschen sind’s.
Bei einer der kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Israel und Aram wurde ein israelitisches Mädchen verschleppt, das inzwischen der Frau des Heerführers Naaman im Haushalt zur Hand ging. Dem Mädchen entging die Not im Hause Naamans nicht.
Eines Tages vertraute sie ihrer Chefin an: „Ach, wenn unser Herr doch bei dem Propheten unseres Volkes in Samaria wäre: Der könnte ihn heilen.“
Diese Worte drangen auch an Naamans Ohren. Er wurde bei seinem König vorstellig. Er erzählte ihm, was das Mädchen gesagt hatte.
Eine richtig gute Männerfreundschaft zwischen dem König und seinem Heerführer, wie es scheint? Auf jeden Fall ein Vorgesetzter, dem man auch Sorgen und Nöte anvertrauen darf, wie wir weiter hören werden.
Dem aramäischen König war Naaman lieb und wert. Er setzte einen Brief an den König von Israel auf und sagte zu Naaman: Geh zum König von Israel und bring ihm diesen Brief.
So machte sich Naaman mit seinen Gefolgsleuten auf den Weg und nahm noch eine Unmenge Geschenke mit.
Beim König Israels angekommen, übergab Naaman ihm den Brief seines aramäischen Königskollegen. Darin stand:
„Wenn du dieses Schreiben erhältst, weißt du: Ich habe meinen Knecht Naaman zu dir geschickt, damit du ihn von seiner Krankheit heilst.“
Als der König von Israel das Schreiben gelesen hatte, wurde er ungehalten und zerriss vor Wut seine Kleider. Er rief: „Bin ich Gott? Kann ich töten oder lebendig machen? Da schickt mir der Nachbar-König einen Mann, den ich von seiner Krankheit erlösen soll! Der sucht doch nur einen Anlass für neuen Streit und Krieg!‘“
Im Konfirmandenunterricht haben wir die Geschichte am Mittwoch durchgespielt. Ja, sagte einer, da ist Misstrauen wohl angesagt, wenn der feindliche Heerführer in deinen Palast hereinplatzt. Und gleichzeitig: Welche Demütigung! Da traut dir einer eine Heilung zu – und du weißt schon von vorneherein: Das schaffe ich nicht? Und der israelitische König ist zu viel Machthaber, als dass er sich von sich aus nach Hilfe umgesehen hätte. „Bin ich Gott?“, das hat schon mancher in einer Überforderungssituation gesagt.
Der Wutausbruch, der Ohnmachtserweis des Königs blieb im Land nicht unbemerkt. So hörte auch der Prophet Elischa – die Lutherbibel nennt ihn: „Elisa“ – davon. Er übermittelte dem König Israels: Warum hast du so reagiert? Schicke Naaman zu mir. Er wird bei mir erfahren, zu was Gott fähig ist.
So kam Naaman hoch zu Ross mit weiteren Rossen und Reitern an die Haustür von Elischas bescheidenem Häuschen. Elischa schickt seinen Hausdiener an die Tür und lässt Naaman ausrichten: „Geh und wasch dich sieben Mal im Jordan. Dann wir deine Haut wieder gesund und du wirst geheilt sein.“
Jetzt wird Naaman zornig: „Hält Elischa es nicht für nötig, selbst herauszukommen? Ich dachte, er stellt sich vor mich hin, ruft seinen Gott an und betet für meine Heilung. Das sollte für meine Heilung reichen! Waschen kann ich mich auch an den ungleich schöneren Flüssen von Damaskus!“ Er dreht sich um und will gehen. Da sagen seine Gefolgsleute zu ihm: Was wäre gewesen, wenn der Prophet dir noch Schwereres aufgetragen hätte? Hättest du es nicht auch getan um geheilt zu werden?“ Naaman nahm die Worte seiner Getreuen zu Herzen, begab sich zum Jordan und tauchte dort siebenmal unter. Und siehe da, er wurde gesund und galt als geheilt.
Naaman wusste, was sich gehört: Er kehrte noch einmal zu Elisa zurück und sagte ihm: „Jetzt weiß ich endlich, dass es nirgendwo einen Gott gibt außer in Israel. Er ist der einzige Gott auf der ganzen Welt. Nimm ein Geschenk von mir!“
Doch Elisa will kein Geschenk annehmen. Die ganze Überredungskunst Naamans hilft da nicht. Da erbittet sich Naaman noch einen Gefallen: Er möchte zwei Maultierladungen Erde aus Israel mit nach Hause nehmen.
Naaman will sich durch die Erde Israels an den Gott Israels erinnern lassen. Er will ein Stück von diesem Gott mitnehmen. Was wir als aufgeklärte Menschen vielleicht belächeln mögen.
Doch mancher Israel-Reisende bringt ein Fläschchen Jordan-Wasser mit nach Hause. Bergwanderer sammeln Steine und bringen sie in ihr Heim. – Wann haben Sie das letzte Mal nach den Muscheln von ihrem Nord- oder Ostseeurlaub geschaut oder eine Muschel am Ufer des Bodensees aufgehoben?
Schöne Erfahrungen binden sich an Gegenstände. Deshalb nehmen wir gerne ein Souvenir nach Hause. Es muss ja gar nicht teuer sein.
Naaman hat etwas vor mit der Erde: Er weiß, dass er daheim mit seinem König im Tempel des Rimmon beten gehen muss. Er will seinen königlichen Freund und Vertrauten nicht enttäuschen. Er wird in den Tempel Rimmons mitgehen und dort mit seinem König beten. Aber er wird mit der Ladung Erde auch seinen eigenen Platz haben, wo er den Gott Israels anbeten wird. Naaman bittet Elischa beim Abschied im Voraus um Vergebung – dafür dass er in seinem Alltag in Aram noch einem anderen Gott seine Ehrerbietung erweisen wird.
Die Geschichte zwischen Naaman und Elischa endet damit, dass Naaman seinen Glauben an den Gott Israels noch einmal bekräftigt und Elischa Naaman einem Friedenswunsch mit auf den Weg gibt: „Gehe hin in Frieden“.
Mit einem solchen Segenswunsch werden auch wir heute wieder von hieraus aus dem Gottesdienst entlassen. Wohlwissend, dass manches in unseren Alltagen nicht zu dem passt, was wir glauben und wovon wir überzeugt sind. Und doch wird es so sein, dass der Gott Israels, der Vater unseres Herrn Jesus Christus mitgehen wird.
Amen
[1] Der Predigt liegt der Text der BasisBibel zugrunde.
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